BauertothePeople (B2P)

Wilhelm Geiger

B2P Interview | Die "Kleine Stadt Farm" in Wien 22.

Ein bunter-grüner Haufen mitten in Wien

31.05.2023 11 min

Video zur Episode

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Zusammenfassung & Show Notes

Der stellvertretende Obmann der "Kleinen Stadt Farm" in Wien Donaustadt (22. Bezirk), Manuel Bornbaum, erklärt in diesem B2P-Interview mit Bianca Blasl, was es mit dem Verein zur Förderung des Gemeinwohls auf sich hat, der sich als das größte Urban Farming Projekt Österreichs beschreibt.

Ihr könnt Manuel auch in der Folge 72 unseres Podcasts ausführlich kennenlernen.

VERNETZEN 
 
MUSIK 
Leit hoits zamm – Haindling 
Power to the People – Junior Kelly 
 
… und ein bisserl selbst gesungen 😊 
 
Durchs Reden kommen die Leut´ zamm! 

Transkript

Wir stehen hier in der kleinen Stadtfarm in Wien in der Lobau im 22. Bezirk. Neben mir steht schon wieder der Manu. Und sag mal, was ist denn die kleine Stadtfarm? Die kleine Stadtfarm ist ein ziemlich spezielles Projekt, das es in der Form wahrscheinlich nirgends wo sonst gibt. Wir sind nämlich auf einer Fläche von knapp über sechs Hektar 18 verschiedene Initiativen, Vereine, Firmen, die sich quasi diese Landwirtschaft aufteilen. Also wir sind alle zusammen in der kleinen Stadtfarm. Die kleine Stadtfarm pachtet den ganzen Grund von der Stadt Wien, aber die einzelnen Flächen werden eben nicht von einer Bauernfamilie oder von einer Gruppe bespielt, sondern eben aufgeteilt in Künstlerinitiativen, viel Landwirtschaft, Gärtnerei, die Pilzzucht von Hut und Stiel. Es gibt ein kleines Café, es gibt Ateliers, es gibt Pferde, die für pädagogische Arbeit genutzt werden und ja insgesamt sind über 300, Leute da am Hof involviert, entweder als Hauptberuf oder als Hobby. Also kleine Stadt, Farm, der Name ist Programm, wir stehen in Wien, aber jetzt mal ehrlich, warum das Ganze? Ja, also dieser Ort hat eine ganz lange Geschichte. Das war einer der ersten Biohöfe, die es eigentlich lang vor der Zeit, bevor es überhaupt das Wort Bio irgendwie gegeben hat, wo schon ökologische Landwirtschaft betrieben worden ist. Und vor knapp sieben, acht Jahren ist dieser Hof dann leer gestanden und die Stadt Wien hat das nach jemandem gesucht, der das übernimmt und da ist dann von zwei Leuten, dem Nikolai und dem Mike und der Patricia, drei Leute waren es, die Idee entstanden, man könnte da so einen Gemeinschaftshof draus machen, wo es nicht eben nur eine Gruppe oder eine Person oder eine kleine Gruppe von Leuten gibt, die das machen, sondern man könnte das öffnen und an die Bedürfnisse von einer Stadt, in der viele Leute auch zum Beispiel keinen Garten haben und selbst Gemüse anbauen wollen, anpassen und sowas zum Beispiel anbieten. Jetzt hast du mich als Wienerin und offen bekennende Landwirtschafts- und Fressverzeihung-Esbegeisterte schon sehr abgeholt mit dem, was du jetzt gesagt hast, aber wenn ich daher komme, was kriege ich denn da, was finde ich da? Also wenn du herkommst und durch das große Tor durchgehst, dann siehst du erst mal auf der linken Seite den Hofladen, der kleine Stadtbauernladen und gleich dahinter das kleine Café, wo wir versuchen, so viele Sachen wie nur möglich, die auch hier angebaut oder produziert werden, im Café zu verarbeiten. Das funktioniert nicht zur Gänze, also wir kaufen auch viele Sachen zu. Es wird zum Beispiel kein Milch, keine nicht in nennenswertem Ausmaß Eier produziert, aber zum Beispiel die Pilze, den Honig, saisonal immer wieder Gemüse wird im Café auch verarbeitet. Wenn man weiter geht, kommt man irgendwann zu den Pilzen, zum Atelier, dann ist auf der rechten Seite ein großes Glashaus, hinter dem Glashaus sind die Pferde, hinter den Pferden sind die Schafe, links von den Schafen sind die Hühner und Hasen, also es gibt irgendwie so einen schönen Rundweg, wo man spazieren gehen kann und im hinteren Ecke gibt sogar zwei Lamas, was für die Kinder immer eine sehr große Attraktion ist und ja, sehr vielseitig würde ich mal sagen. Man soll es sich am besten selber anschauen. Und der Hof ist auch etwas Besonderes, er ist eigentlich immer offen, also man kann untertags jederzeit kommen, man muss nicht irgendwie sich ein Ticket kaufen oder irgendwie anstehen, sondern man kann einfach rein spazieren und eine Runde drehen und wenn das Café offen hat zum Beispiel dann nachher auf kleinen Café gehen. Das klingt jetzt alles schon ziemlich nett und idyllisch, aber sag mal, du hast gesagt 18 Initiativen, oder? Unternehmen, die sich hier das teilen und im Prinzip basisdemokratisch entscheiden, was passiert, ob Geld reinkommt, Entscheidungen treffen, das stelle ich mir nicht immer nur konfliktfrei vor. Wie funktioniert das? Also wir sind soziokratisch oder nicht voll soziokratisch, aber wir haben sehr viele soziokratische Elemente drinnen. Drinnen. Das heißt, wir entscheiden zum Beispiel Dinge nur im Konsens, wo, wenn irgendjemand einen schwerwiegenden Einwand gegen irgendeine, Entscheidung hat, dann heißt das einfach für die ganze Gruppe, die Entscheidung oder das, was beschlossen wird, ist einfach noch nicht ausgereift genug. Man muss da noch weiter daran arbeiten, bis alle mitgehen können. Es ist wichtig, dass extrem viel kommuniziert wird. Also man muss eigentlich wahrscheinlich, ich unterstelle jetzt mal, wenn man am Betrieb ist, wo es eine Person anschafft, dann braucht man natürlich viel weniger Zeit für sich irgendwelche Sachen auszuschnapsen, aber diese Prozesse sind auch spannend und jeder der da, ich würde jetzt mal sagen, wir sind zehn Leute im Kernteam, die sich mittlerweile extrem gut kennen und wo jeder weiß, was für wen wichtig ist und am Ende des Tages ziehen wir ja irgendwie auch am gleichen Strang oder sitzen im gleichen Boot und haben die gleichen Interessen und so würde ich sagen geht es die allermeiste Zeit gut. Und wenn es Reibereien gibt, dann wird darüber geredet und wir haben auch zwei Mediatorinnen dabei, die immer wieder, wenn es irgendwelche schwierigen Punkte gibt, mithelfen, dass es gar nicht so weit kommt, dass irgendwelche Konflikte so weit eingefahren sind, dass dann irgendwie was Schlimmes dabei rauskommt. Und jetzt sag mal, es ist ein wirklich rein objektiv betrachtet schöner Ort. Wie finanziert sich das? Also wir haben einen Pachtsatz von 50 Cent pro Quadratmeter pro Jahr. Das ergibt irgendwie so knapp 40.000 Euro, die wir an Pacht aufbringen müssen. Und da gibt es ein irrsinnig kompliziertes, also wahrscheinlich wenn man zum ersten Mal drauf schaut, zumindest irrsinnig kompliziertes Modell, wie wir das aufteilen auf die verschiedenen Initiativen. Das heißt, diejenigen Initiativen, die nur Felder haben, zahlen viel weniger. Initiativen wie Hut und Stiel oder das Café, also die auch Häuser, Gebäude haben, die zahlen anteilsmäßig pro Quadratmeter viel mehr. Und das teilt sich dann irgendwie alles so auf nach diesen Schlüsseln eben. Und jede Initiative muss halt dann ihren Teil dazu beitragen. Und ein sehr gutes Finanzteam haben wir einfach, die da extrem viele ehrenamtliche Stunden reinstecken, damit das alles auch gut und transparent vor allem abläuft. Das heißt, jeder von euch ist dafür verantwortlich, seinen Teil selbst zu erwirtschaften und den hier reinzustecken? Genau, also es ist wie, im Endeffekt ist die kleine Stadtfarm sowas wie die verwaltende Einheit, vergleichbar wahrscheinlich so mit einer Eigentümergemeinschaft oder mit einer Hausverwaltung vielleicht. Also wir kümmern uns als kleine Stadtfarm um die Versicherungen, um die Baumpflege, um die Sicherheit am Hof, um die ganze Vorschreibung von Strom, von den Mieten und die einzelnen Initiativen müssen dann alle natürlich mitspielen und ihren Teil dazu beitragen, dass es funktioniert. Und sag mal, du hast gesagt, es ist immer offen, man kann immer hier reinkommen. Wie gut oder schlecht funktioniert denn das mit den Menschen? Ist da schon mal was passiert? Was hast du da für Erfahrungen gemacht? Es zieht natürlich an Orte wie dieser, der so offen ist, auch immer wieder Leute an, die das missbrauchen. Also so viel Vertrauen. Ich würde mal sagen, im Schnitt kommt es einmal im Jahr zu einem Zwischenfall, der irgendwie unangenehm ist. Von Leuten, die, also im einfachsten Fall sind es halt Leute, die einfach nicht respektieren, dass man die Tiere nicht füttern darf, weil ein Pferd zum Beispiel irrsinnig leicht eine Kolik bekommt und die dann nicht verstehen, dass man Hasen nicht unendlich irgendwie Gras reinhauen darf, weil es sonst denen schlecht geht. Also diese Art von Dingen, also so kleinere Grenzüberschreitungen. Aber auch Leute, die zum Beispiel psychische Betreuung brauchen, die dann irgendwie da andocken und sich wohlfühlen und dann zum Beispiel auf Dauer natürlich irgendwelche Probleme machen. Haben wir alles schon gehabt und das muss man dann halt irgendwie lösen. Was aber super ist, ist, dass wir uns in der Gemeinschaft eigentlich immer gegenseitig ganz gut helfen können. Also eine von 18 verschiedenen Initiativen geführte Landwirtschaft in der Stadt Wien. Warum machst du das? Weil es für mich ein totales Zukunftsmodell ist und ich finde es total schön, weil es ist eine Fläche, die der Öffentlichkeit gehört. Die Stadt Wien ist Eigentümer von dieser Fläche und ich finde es total spannend, dass wir es schaffen. 6,5 Hektar, das sind im landwirtschaftlichen Kontext super kleine Fläche, da kann man, wenn man einen Grünlandbetrieb hat, wahrscheinlich nicht einmal gescheit einen Teilzeitjob davon machen. Aber es arbeiten auf dieser Fläche acht Leute Vollzeit und mehr als 200 Leute, fast 300 Leute hobbymäßig und ich finde es cool zu sehen, was mit so wenig Fläche eigentlich alles möglich ist. Nicht nur landwirtschaftlich, auch irgendwie sozial und gesellschaftlich. Den Menschen da draußen, die das jetzt sehen, was willst du denen sagen? Ich würde alle einladen, sich mal selbst ein Bild zu machen. Wir sind gut erreichbar eigentlich mit der U2 Donaustadtbrücke und dann nach fünf Minuten mit dem Bus. Es ist auch eine sehr schöne Radstrecke von der Innenstadt zu uns raus. Dann bradt der Hauptallee und dann über die Donauinseln und dann ist man in fünf Minuten da. Und ja, das Café ist nett, es ist schön zum Spazieren gehen. Wenn man ganz früh oder ganz spät, also kurz vor Sonnenauf- oder Untergang ist, dann findet man immer entweder Rehe, Füchse, Dachse, Marder. Irgendwas rennt immer herum. Und deshalb wollen wir eigentlich so genau in der Mitte zwischen Innenstadt und Seestadt sind. Und ja, das ist schon irgendwie cool, so eine kleine Oase, die wir da irgendwie nutzen dürfen. Kommen Sie nach Wien, wir sind anders und haben Landwirtschaft. In diesem Sinne, Manu, Dankeschön. Bitte, danke. Music.

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